Verschwörungstheoretiker

Lesezeit: 3 Minuten

Manchmal weiss ich echt nicht, ob die Menschen immer dümmer werden, oder ob ich zu hohe Ansprüche habe. Überall wird gelogen und betrogen. Aber wenigstens kann man an dummen Menschen leicht Geld verdienen.

Der Typ, der heute in den Dorfladen kam, ist mir sofort aufgefallen. Er schlich fast in den Laden und blieb dann im Eingangsbereich stehen. Von dort aus beobachtete er den ganzen Laden. Er schien etwas zu suchen. Ich reagierte nicht darauf.

Nach einer Weile setzte er sich dann doch in Bewegung – aber nur, um drei Meter weiter wieder stehen zu bleiben und den Laden zu inspizieren. Nun stand er aber so nah bei mir, dass es mir zu blöd wurde. «Suchen sie etwas? », fragte ich.

«Kameras», flüsterte er. «Wie bitte? » fragte ich nach.

«Ich will sichergehen, dass ich nicht von Kameras erfasst werde! »

«Und warum? Wollen sie den Laden ausrauben? », fragte ich, nicht wirklich eingeschüchtert.

«Huch, wie kommen sie denn auf so etwas? Das würde ich nie tun! », antwortete er überrascht, «Ich will bloss nicht, dass irgendjemand mitbekommt, dass ich hier bin! Es geht niemanden etwas an, wo ich bin! »

Ich runzelte die Stirn. «Und wer sollte sich dafür interessieren, wo sie sind und was sie tun? »

Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an. «Wie naiv sind sie denn? », fragte er mich, «Haben sie noch nicht bemerkt, dass uns die Regierung auf Schritt und Tritt verfolgt?

Oha. Ich naiv? Genau …

Ich holte tief Luft. «Natürlich weiss ich, dass ich von der Regierung auf Schritt und Tritt verfolgt werde! Ich habe das so bestellt! Das steht im Kleingedruckten auf der Steuererklärung. Wenn man aus Sicherheitsgründen vom Staat beobachtet und überwacht werden will, so kann man das mit seiner Unterschrift bestätigen! Dadurch wird man ständig beschützt, es stehen einem rund um die Uhr Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte zur Verfügung! Aber das funktioniert nur, wenn die auch wirklich wissen, wo man gerade ist! Also ich bestelle diesen Service jedes Jahr! Sie etwa nicht? »

Da fiel mir wieder ein, was ich an dummen Menschen so schätze: Sie brauchen viel länger, um zu schnallen, wenn man sie verarscht.

Der Mann fand endlich Worte. «Sehen Sie? Genau so wird man manipuliert! Ich habe das Kleingedruckte noch nie gelesen! Aber wenn ich das gewusst hätte, hätte ich meine Steuererklärung niemals unterschrieben! »

«Hmm, da waren Sie aber unvorsichtig!», sagte ich zu ihm. «Aber wissen sie was? Es gibt eine Möglichkeit, trotz des unfreiwilligen Einverständnisses, sich der Überwachung zu entziehen! Man kann sich unsichtbar machen, indem man einen TÜV-geprüften Aluhut aufsetzt! Diese sind nicht so einfach zu bekommen, aber wie es der Zufall so will, verkaufen wir hier im Laden solche Aluhüte! »

«Echt? » , fragte er. «Und wie funktionieren diese Hüte? Mit Strom? »

«Nein, machen Sie sich keine Sorgen, die Hüte sind nur zum abschirmen da! Ich hole ihnen gleich mal einen. Größe 58 sollte passen … »

Ich ging in den Keller und nahm aus der Kiste mit Alutellern einen heraus, beschriftete ihn mit einer Preisetikette. 79.90. Und darüber ein Aktionsetikett. 49.90. Mit der Faust bog ich den Teller zurecht und ging damit zu meinem Kunden.  

Der Aluhut passte perfekt.

Der Mann ging an die Kasse, bezahlte und verliess den Laden. Die Kassiererin rollte mit den Augen. «Echt jetzt? », fragte sie mich. Ich grinste. Sie kannte meine Methoden …

Wenige Minuten stand der Mann wieder bei mir.

Er wolle testen, ob der Hut auch wirklich funktioniere, erklärte er. Ich bestätigte ihm, dass ihn keine Kamera erfasst habe, als er den Laden betreten habe.

Und das war übrigens nicht gelogen! Es hat überhaupt keine Kameras im Dorfladen …

Teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert