Verfalldatum
Jaja, ich weiss: Ich bin böse. Aber manchmal sind wirklich die Kunden schuld daran! Alte Damen zum Beispiel. Nicht dass ich etwas gegen solche hätte; das sind gute, treue Kunden. Aber eben: Manchmal auch unheimlich belehrend. Und genau das mag ich nicht.
Wenn mir nun also eine Vorantike einen Joghurtbecher unter die Nase hält und mich mit den Worten: „Der ist verfallen!“ begrüsst, so ist dies kein guter Einstieg.
Sie können sich vorstellen, wenn ich es so schreibe, dann könnte es so geschehen sein … Ich sah mir den Becher genau an. Verkaufsdatum von Heute, Verbrauchsdatum in drei Tagen.
„Meine Liebe,“ begann ich freundlich, „wissen Sie, welcher Tag heute ist?“ Sie nannte mir das Datum. „Genau. Das heisst, dass dieser Joghurt bis heute verkauft werden darf und die nächsten drei Tage garantiert noch geniessbar ist!“ „Ich bezahle sicher nicht den vollen Preis, für einen Joghurt, welcher heute verfällt!“
Ich holte Luft. „Und warum nehmen Sie nicht einfach den Becher daneben, welcher noch zwei Wochen zu verkaufen ist?“ „Ich wollte Sie auf die Kundentäuschung hinweisen!“ Ich wurde langsam sauer. „Kundentäuschung? Ein guter Hinweis! Haben Sie schon gehört, dass ab 1. Januar alle Kinder mit einem Verfalldatum versehen werden?“ Sie sah mich ungläubig an.
„Ja, alle Menschen werden mit einem Verfalldatum versehen – 70 Jahre.“ „Haha!“ sagte sie triumphierend „Nicht alle Menschen werden gleich alt!“ „Genau, das versuche ich ihnen ja gerade klar zu machen: Manche Joghurts sind bereits vor dem Verfalldatum ungeniessbar. Genau wie manche Kunden. Die sind bereits vor 70 ungeniessbar!“ „Und ich? Ich bin bereits über 70, dann wäre ich ja verfallen …“
Endlich hatte sie es verstanden. „Genau, und deshalb sollte man Sie jetzt wegschmeissen? Oder sind Sie jetzt nur noch den halben Preis wert?“
Sie schwieg. Nahm den Becher in den Korb und bezahlte an der Kasse den vollen Preis …