Sieg!
Heute habe ich dich besiegt! Endgültig! Ich weiss nicht, wie lange du mein Begleiter warst; irgendwann im Kindergartenalter habe ich mich von dir beeinflussen lassen – vielleicht schon früher … Du warst jederzeit bei mir, hast mich beraten wenn ich nicht weiter wusste … In den letzten Jahren musstest du öfters Rückschläge einstecken. Zum Beispiel als ich gegen deinen Willen zu Rauchen aufhörte. Das hat dir gar nicht gepasst, aber ich hab’s durchgezogen! Sicher, du hast mich vor vielen Unannehmlichkeiten bewahrt … lass doch das Staubsaugen, nächste Woche musst du eh wieder … oder den Briefkasten brauchst du nicht zu leeren, ist Morgen immer noch alles drin … Oder am Sonntag? Ach, lass doch das Duschen … bleib im Trainer, geh nicht raus …
Und in den Urlaub nach Graubünden wolltest du auch nicht … entspann doch zu Hause … ist doch viel bequemer … Aber heute morgen – ich denke, du ahntest es schon – hast du mich verschlafen lassen. Um halb elf bin ich erwacht … ach, lass doch das Duschen, bleib im Zimmer … Nein, ich liess dir deinen Willen nicht. Wir gingen zur Sesselbahn … und von dort auf die nächste. Auf Somgant angekommen, wolltest du dich kurz umsehen und gleich wieder umdrehen … Zuviel Schnee in den Bergen, die Wolken zu tief und unsere Ausrüstung zu schlecht … Ich hatte beschlossen auf den Piz Martegnas zu wandern. Du warst dagegen. Nach 15 Minuten hast du geheult und gebettelt, doch noch umzudrehen. Ich konnte selbst fast nicht mehr – ein unsportlicher, untrainierter Unterländer in den Bergen – mir lief der Schweiss und die Nase tropfte. Jedes Husten drohte meine Lunge aus dem Körper zu transportieren. Aber ich wollte weiter. Du hast an meinem Rucksack gezerrt, meine Schuhbändel geöffnet und mich frieren lassen. Es war wirklich anstrengend. Aber ich habe es geschafft; mit dir als Ballast. Aber nun war Schluss: Auf dem Piz Martegnas habe ich dich sitzen lassen. Neben all den anderen, die dort schon sassen. Alle genau in deiner Art. Wie Bettler auf einer Brücke, in Reih und Glied … manche drohten, manche flehten, jeder wollten an deiner Stelle mitgenommen werden … Ich bin weiter gegangen, einen Schuh vor den Anderen. Weisst du was? Es war nie so leicht, wie heute! Und das gute Gefühl, als ich wieder unten war, nicht überlegte, ob ich nun mit der Gondel oder zu Fuss ins Tal gehen würde … einfach marschierte … den Blick zum Piz und an dich dachte … endlich war ich dich los! Ich will dich nie mehr sehen, du mein innerer Schweinehund …