Moderne Zeiten

Lesezeit: 3 Minuten

Früher war das Leben als Nikolaus einfacher. Im Winter hatte es genügend Schnee, um mit dem Schlitten in die Stadt zu fahren. Der Esel konnte die schwere Last ziehen, der Schmutzli oder Knecht Ruprecht, wie er mancherorts genannt wurde, halfen dabei. In den grossen Säcken hatte es allerhand Gebäck, Nüsse, Birnen, Mandarinen und Schokolade. Alle Kinder freuten sich – naja, nicht alle, denn einige fürchteten sich; aber für alle war der Nikolaustag ein besonderer Tag.

Und heute?

Der Winter zu warm und der Schnee fällt nur selten bis in die Stadt, somit kann der Nikolaus nicht mit dem Schlitten kommen. Also müssen die Säcke mit den Geschenken anders transportiert werden. Einen Esel bepacken und in die Stadt treiben, das geht gar nicht! Dem Tierschutz sei Dank legen wir heute sehr viel mehr Wert auf das Wohl der Tiere und deshalb hat der Esel am 6. Dezember frei. Und wohlbemerkt, DIE Esel, denn man darf den Esel nicht alleine halten.

Der Schmutzli – nun, wie soll ich sagen? Ihr kennt die Sache mit dem Arbeitsrecht? An Sonn und Feiertagen darf er nicht arbeiten, braucht geregelte Arbeitszeiten und Pausen, Urlaub und eine Lohnabrechnung. Sozialleistungen und natürlich ein Gehalt. Und selbst, wenn das alles geregelt und bezahlt ist; dann kommt die Arbeitssicherheit und überprüft, wie schwer der Sack, oder viel mehr, die Säcke sind, die er aus dem Wald in die Stadt trägt. Es ist wirklich einfacher, keine Mitarbeiter zu beschäftigen. Lange Rede, kurzer Sinn: Der Schmutzli hat am 6. Dezember frei. 

Und das Gebäck? Ich sage euch ganz ehrlich: es ist nicht einfach! Es muss sicherheitshalber glutenfrei, laktosefrei, zuckerfrei, nusslos und vegan sein. Um keine ethnische Minderheit zu schockieren, darf es in keiner Form daherkommen, die irgendjemandes Vorstellung von Moral oder Religion verletzt. Und von den Farben fange ich lieber gar nicht an. Aus nichts, nichts machen ist schon schwer genug. Aber da die Gebäcke an die Kinder abgegeben werden, kommt noch die Lebensmittelkontrolle ins Spiel. Sie überprüft, ob alle Hygienevorschriften eingehalten und die Produkte ordnungsgemäss beschriftet und deklariert sind. Lange Rede, kurzer Sinn: es wird nicht mehr gebacken in der Hütte des Nikolaus. Der Ofen hat am 6. Dezember frei.  

Schliesslich bleiben noch die Früchte und die Nüsse. Aber ihr ahnt es bestimmt schon: Mandarinen importieren ist ökologisch schwer vertretbar. Die Äpfel und Birnen müssen unbehandelt sein, schön aussehen und am liebsten verzehrfertig geschnitten und verpackt sein. Nüsse kann man schon wieder nicht verteilen, denn, sollte jemand allergisch sein, käme wieder die Frage nach der Verantwortlichkeit. Lange Rede, kurzer Sinn: Der Nikolaus bringt keine Früchte!

Bleibt eigentlich nur noch Schokolade. Nur, wenn man die Hersteller darauf anspricht, ob sie fairen Handel garantieren und Kinderarbeit ausschliessen können, dann wird es still. Und da Kakao in unseren Breitengraden nicht wächst, Fett und Zucker enthält und je nach dem Allergene oder tierische Produkte enthält … ihr merkt es schon …

Und wenn man dann alle Hürden genommen hat und sich grosser Beliebtheit erfreut, was kommt dann? Genau: die Steuerverwaltung! So muss der Nikolaus heute hunderte von Formularen ausfüllen, um zu beweisen, dass er an all seinen Gaben nichts verdient hat, die Mehrwertsteuer, die Löhne und Sozialbeiträge bezahlt sind und keine Abzüge zu viel vorgenommen hat.

Und letztes Jahr ist mir ein Fehler unterlaufen! Ihr werdet es kaum glauben. Ich hatte vergessen, die Esel als Vermögen anzugeben! Denn als Arbeitsmittel kann ich sie ja nicht mehr einsetzen … somit sind es lediglich Luxusartikel!

Lange Rede, kurzer Sinn: in diesem Jahr ist der Sack leer und es gibt keine Geschenke. Und der einzige Esel, der am 6. Dezember arbeitet, ist der Nikolaus selbst. Und verteilen kann er lediglich die besten Wünsche – solange sich dadurch niemand belästigt fühlt!

Frohe Festtage wüsche ich auch allen.

Teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert