Ein furchtbarer Morgen
Manchmal beginnt der Tag einfach schlecht. In der Regel kündigt sich dies durch einen schrillen Wecker an. Heute war meiner aber ganz sanft und nett. Mit dem Resultat, dass ich mich noch ein paar mal mehr drehte, als üblich. Aber kein Problem, ich plane schliesslich eine Sicherheitsviertelstunde ein. Naja, diese hatte ich bereits ausgeschöpft und ich ging duschen. Schlaftrunken duschen birgt bekanntlich die Gefahr, ein bisschen die Zeit zu vergessen.
Nachdem ich wieder trocken war und der angelaufene Spiegel mein Gesicht freigab, konnte ich endlich rasieren. Seltsam, üblicherweise beginnen doch die Nachrichten, wenn ich den Schaum aus den Ohren spüle? Heute nicht …
Ein Blick auf die Uhr gab mir eine plausible Erklärung: Die Nachrichten waren seit 10 Minuten vorüber … ok, Kaffee gestrichen, aber ich war noch nicht zu spät – und wenn nichts dazwischen kam, so konnte ich mir im Geschäft noch einen Kaffee leisten, bevor ich die Arbeit begann.
Die Baustelle im Quartier ist eine technische Meisterleistung. Die Ampel ist nur auf der Hauptachse einsehbar, wenn man aus der Quartierstrasse einbiegt, muss man den Verkehr beobachten und kann sich dann anhängen. Immer vorausgesetzt, es kommt auch wirklich ein Fahrzeug. Genau heute Morgen kam natürlich keines aber auf der Gegenseite schienen die Autos bereits zu stehen. Ungut. Also musste ich warten, bis diese Fahrzeuge vorüber waren und weitere Minuten meiner knappen Zeit verrannen.
Nach wenigen Kilometern die nächste Ampel. Vor mir ein Lastwagen. Eigentlich kein Problem, diese fahren ja bekanntlich ausserorts auch 80. Und die Fahrer der Firma, deren LKW mir jetzt die Sicht verdeckte, waren eher dafür bekannt, innerorts auf achtzig herunterzubremsen. Genau heute erwischte ich den Einzigen, der ausserorts auf 60 beschleunigte.
Ich lebte also mit meiner Arschkarte und tuckerte gemütlich hinter diesem Verkehrshindernis durch den halben Kanton Aargau. An der zweihundertfünfundneunzigsten Abzweigung des Morgens endlich: Er fuhr geradeaus und ich konnte abbiegen.
Im Radio hatte ich zwischenzeitlich zum tausendsten mal gehört, dass die Young Boys Bern (warum summe ich jetzt eigentlich Y.M.C.A.?) gegen Stuttgart verloren hatten und zum etwa hundertsten mal, dass es in den Alpen regnen würde. Dazu schaltete ich die Scheibenwischer auf Stufe drei. Für alle, welche sich in der Schweiz nicht auskennen: Der Aargau liegt nicht in den Alpen!
Erwähnte ich bereits, dass ich mich nun auf einer Umfahrungsstrasse befand und es immer noch dunkel war? Und dass es regnete? Und die Autos vor mir heftig bremsten? Und dass ich die Radfahrer grundsätzlich nicht mag?
Egal, das Wort “Umfahrungsstrasse” erhielt beinahe eine andere Bedeutung und der Radfahrer ein Problem. Aber sein Morgen schien furchtbar genug zu sein … 1000fach verflucht, in strömendem Regen unterwegs und mehrere hundert Höhenmeter vor sich. Also fuhr auch ich ihn nicht um und konnte endlich durchstarten.
Der Regen wurde immer stärker und ich dachte an Paint Zoom, das Farbsprühsystem. Hydraulisch … aber dies ist ja bekanntlich eine andere Geschichte …
Die restliche Fahrt gelang besser und ich erreichte meinen Arbeitsort rechtzeitig. Ich hatte genügend Zeit, mich umzuziehen und konnte gerade pünktlich meine Zeiterfassungskarte ziehen. Aber Kaffee lag nicht mehr drin! Ein furchtbarer Morgen!