Der Bär mit der Todesliste
Heute renn’ ich eine Stunde, egal wie lange es dauert! Mit diesem Vorsatz begann ich heute meinen Lauf nach fast einem Monat Pause. Ich kenne mich gut und weiß, dass ich nicht zu schnell loslaufen darf, wenn ich lange unterwegs sein will. Es gelang mir recht gut und ich trabte meine Hausstrecke über offene Felder und kleine Nebenstraßen. Alles wunderbar. Noch besser wäre es wohl gewesen, nicht in der Mittagshitze zu laufen. Egal. Ich gelangte an den Waldrand und beschloss, von meiner Route abzuweichen und den wunderschönen Buchenwald zu durchlaufen.
Die beginnende Dehydration, immerhin war ich schon 25 Minuten unter der Mittagssonne unterwegs, ließ meine Gedanken abdriften. Der Bärlauch rief in mir die Geschichte vom Bären mit der Todesliste hervor.
Im Wald ging das Gerücht, der Bär würde eine Todesliste führen. Die Tiere fürchteten sich und schließlich konnte der Hase nicht mehr anders; er ging zum Bären und fragte, ob er auch auf der Todesliste wäre. Dieser bestätigte das und am nächsten Morgen war der Hase tot. Nun ging der Fuchs zum Bären und fragte ebenfalls, ob er auf der Liste wäre. Als der Bär dies bejahte, fragte der Fuchs, ob er ihn denn nicht einfach von der Liste streichen könnte. Das sei natürlich kein Problem, antwortete der Bär und strich den Fuchs von der Liste.
Nun, es ist nicht so, dass ich mich im Wald fürchte – geschweige denn einen Bären erwarten würde. Als ich allerdings um die nächste Kurve kam und dort einen einzelnen Turnschuh am Wegrand liegen sah, machte ich mir schon ein paar Gedanken. Die Tatsache, dass im Kopfhörer gerade “Rescue me” (Rette mich) erklang, machte die Szenerie nicht vertrauenserweckender. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon einen Bären mit Schirmmütze und Greifzange, welcher das Verpackungsmaterial der Fastfood- Bude zusammensuchte und den Turnschuh in einen Abfallsack beförderte. Quengelnde Bärenkinder auf dem Plastikkletterturm. Mit Propellerhütchen. Dicke, fette Braunbäreneltern, welche sich an einen Tisch mit festgeschraubten Bänken zwängten. Und dabei genüsslich an einem Joggerbein nagen.
Naja, irgendwann war ich wieder bei Sinnen und zuhause, die Stunde fast um und ich ziemlich durchgeschwitzt. Ein gutes Gefühl, zu wissen, dass ich auch einen Monat pausieren kann, ohne bei Null beginnen zu müssen. Nur, dass es nochmal gesagt ist: Ich jogge noch keine 9 Monate und mochte zu Anfang keine 5 Minuten am Stück zu rennen!