Bahnfahrt, die Zweite
Es gibt etwas, das wirklich schlimmer ist, als schlechter Kaffee: heisser, schlechter Kaffee … Sind sie schon mal mit verbrannter Zunge am Bahngeleise gestanden und haben gefroren? Der Zug nach Zürich war noch stärker besetzt als der Vorhergehende; ich stellte mich an die Wand, unmittelbar neben der Türe. Diese war immer noch offen und ein junger Mann hechtete gegen die offene Stelle im Zug; in der Hand einen Becher Kaffee. Es kam, wie es kommen musste: Er schüttete einen Teil der Brühe über meine Schuhe, einen Teil an meine Hose. Ich freute mich nicht darüber …
Im Zug gibt es drei Typen von Menschen: die Abwesenden, die Arbeitenden und die Beobachter. Die Abwesenden dröhnen sich mit Musik zu, telefonieren oder Lesen. Manche schlafen und besetzen dadurch zwei Plätze. Die Musik hören sie so laut, dass man pro Abteil nur einen braucht, um eine akustische Untermalung der Reise zu haben.
Die Arbeitenden haben immer die Computer auf den Schenkeln. Sie sehen immer sehr beschäftigt aus, tippen und klicken. Und oft sieht man auf ihren Gesichtern ein Lächeln. Also, wenn ich eine derart dringende Sache tun muss, dass ich im Zug am Computer bin, dann lächle ich nicht! Nie! Die schauen sich bloss Mails an und surfen im Internet … aber Arbeit sieht für mich ganz anders aus! Und wozu braucht man einen Kopfhörer? Bestimmt nicht zum Tabellen füllen oder Briefe schreiben …
Und dann gibt es die Beobachter (ja, ich bin auch so einer!). Die sind sehr interessant, zu beobachten. Gerade Frauen betrachten die Menschen mit einer offensichtlichen Kopfbewegung von oben bis unten. Und wenn sie lächeln, kann man das Objekt der Beobachtung ganz gut etwas besser betrachten; meist gibt es etwas ganz Besonderes zu sehen … Zahnpasta im Mundwinkel, offene Reisverschlüsse an den Hosen oder verschiedenfarbige Socken. Ich habe begonnen, nur die Beobachter zu beobachten – so bin ich viel schneller im Entdecken.
Und wenn Beobachterinnen jemanden kennen, dann lästern sie zusammen über das beobachtete. Wodurch sie selbst zu beobachtungswerten Objekten werden. Einer jungen Frau huschte ein Lächeln übers Gesicht, als sie in meine Richtung schaute; sie hatte den Kaffeefleck auf meiner Hose entdeckt … Naja, wenigstens war mein Reissverschluss zu (ja, ich hab’s kontrolliert!).
Der Gong kündete eine Ansage an: „Nächster Halt: Zürich Hauptbahnhof.“
Hier ist der Kaffee nicht, wie in den andern Bahnhöfen; nicht besser, aber teurer!
Die Bahnfahrt geht in der nächsten Geschichte weiter!